Der Schriftsteller Serhij Zhadan hat einen Roman über den Krieg im Donbass geschrieben: „Internat“ verbindet auf brillante Weise Kriegsreportage und politische Essayistik.
Wenn Kriege in Sinnkrisen geraten könnten, sähe das wahrscheinlich ungefähr so aus wie in Serhij Zhadans neuem Roman „Internat“: Männer mit automatischen Gewehren, die selbst nicht wissen, ob sie Soldaten oder Milizionäre sind, kontrollieren unmotiviert Ausweise, hauen Zivilisten um Zigaretten an und rufen gelegentlich, wie zur Probe, Anweisungen in die Nacht, ohne dass irgendjemand wüsste, wohin der ganze Aufwand letztlich führen und welche Hoffnung sich am Ende eigentlich genau erfüllen soll.
Dieses Beckett’sche Bedeutungsvakuum ist für Zhadans Texte nicht untypisch. Die zehn Romane, Erzähl- und Gedichtbände, die der Autor mittlerweile veröffentlicht hat, spielen allesamt in der Ukraine und in den allermeisten sterben die Figuren, wie sie leben: für nichts. Sie stürzen Treppen runter, rollen über Tische, beerdigen schon wieder einen Schulfreund und murmeln unterdessen unheilvoll vor sich hin, oft zusammenhangslos, aber immer „mit Tränen in der Seele“, wie Dostojewski das einmal genannt hat. Der Krieg verschärft diese Zhadan’sche Daseinsweise nur graduell. Der Dreck, die Tränen und die Hoffnungslosigkeit waren auch vorher schon da. Die neuen Fragen, die der Krieg nun aufwirft, sind meist praktischer Natur: Wie zum Beispiel entfernt man eigentlich gefrorenes Blut von seinen Stiefeln?