Elena Fanailova, geboren 1962 in Woronesch, Russland, ist vieles zugleich: ausgebildete Ärztin, Philologin und Radioreporterin. Vor allem aber ist sie Russlands gegenwärtig bedeutendste Dichterin und eine der schärfsten Kritikerinnen Wladimir Putins. Fanailova ist eine im emphatischen Sinne politische Künstlerin, Vertreterin einer neuen Form von Littérature engagée. Für sie besteht die vornehmste Aufgabe der Dichterin darin, das, was die anderen nicht sagen können oder wollen, in Worte zu fassen. Ausdrücklich bewegt sie sich dabei in der Nachfolge des von ihr bewunderten Lyrikers Ossip Mandelstam.
Fanailovas Werk, ein einmaliger Beitrag zum „Wirken der Muttersprache / Im Land der Naturreserven“, ist geprägt von einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte ihrer Heimat. Ihre sprachlich und gedanklich komplexen Gedichte erzählen von vergangenen und gegenwärtigen Krisen und Kriegen: vom Zweiten Weltkrieg, von Afghanistan, Tschetschenien und dem Ukraine-Konflikt. Gleichzeitig ist Fanailova eine Meisterin sehr persönlicher Erinnerungs-Gedichte von wunderbarer Zartheit.
Fanailova studierte Medizin und Linguistik in Woronesch. Sechs Jahre war sie dort als Ärztin tätig. Ende der 90er- Jahre übersiedelte sie nach Moskau und wurde Korrespondentin bei „Svoboda Radio“ (Radio Freiheit). Im Jahre 1999 erhielt sie den Andrei Bely-Preis, den ältesten unabhängigen Literaturpreis Russlands.