Ein kleines Celan-Denkmal steht an einer rauschenden Hauptstraße. Die Mittagssonne, so grell, dass die Augen schmerzen, leuchtet auch den letzten Winkel der Stadt mit gnadenloser Abgeklärtheit aus, zeigt den Verfall der Häuser, bringt überquellende Mülltonnen zum Stinken und lässt die vielen halbwilden Straßenhunde Schatten suchen. Im Celan-Literaturzentrum dagegen ist die Luft wie in einem Kühlschrank, die Klimaanlage funktioniert einwandfrei, die Kaffeemaschine auch, starker Espresso bringt die Lebensgeister zurück. Niemand sonst ist im Café, Bücherwände mit Celan-Ausgaben und deutscher Literatur umrahmen die Stille. Auf einmal tönt die Stimme des Dichters im Raum. Seine Todesfuge. Eindringlich, beinahe singend, kreist sie sich unaufhaltsam in die Wahrnehmung. Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends / wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts / wir trinken und trinken / wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng / Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der / schreibt / der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes / Haar Margarete …
Auch als die Aufnahme längst wieder elektronischer Musik gewichen ist, die nun den Raum beschallt, hallen die Verse nach, kehren die Worte wieder und wieder. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland / dein goldenes Haar Margarete / dein aschenes Haar Sulamith.