Das ukrainische Cernivzi will mit Lyrikfestival an Image der einst einmaligen Literaturstadt Czernowitz anknüpfen.
Die Reise nach Czernowitz hatte 17 Stunden gedauert. Länger, als wenn man nach Tokyo geflogen wäre. Warschau, Lemberg, dann ist man endlich da: müde nach den letzten sechs Stunden Fahrt in einem Zug, dessen Fenster halb von Spitzenvorhängen, halb von Dreck verhangen sind, aber gewärmt von vielen Gläsern Tee, die ein reizender Schaffner serviert hatte. Kurz vor Mitternacht: Bahnhof Cernivzi, Ukraine.
Unbedingt will man sich noch die Beine bei einem ersten Spaziergang vertreten – und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da ist man einmal (gefühlt) um die Welt gereist, und findet hier die Häuser mit ihren geschwungenen Erkern, klassizistischen Fensterfronten, zierlichen Jugendstilbalkonen so vertraut, als wäre man in der eigenen Kindheit – vielleicht eher noch der Kindheit der Grosseltern – gelandet. Man spaziert im warmen Licht der Strassenlaternen durch die alte Herrengasse und meint, hinter den Hausfassaden Deutsch wispern zu hören. Durch diese Strassen ging der junge Paul Celan zur Schule…