Das 10. Internationale Lyrikfestival „MERIDIAN CZERNOWITZ“ steht in meinem Kalender. Ich möchte in diesem Jahr dabei sein, kaufe mir in Bukarest am Gara de Nord eine Fahrkarte. Gemächlich bewegt sich der Zug weit über elf Stunden in den Norden und kommt am berühmten Czernowitzer Jugendstilbahnhof der ehemaligen K&K Monarchie, an…
Durch die Weite der Walachei, durch die Ebene, fährt der Zug an kleinen Dörfern und Felderwirtschaft vorbei. Hügelig wird es in der Südbukowina, die Dörfer haben einen anderen Charakter, die Gärten scheinen anders bewirtschaftet. Auch diese Landschaft gehörte bis 1918 zur Donaumonarchie. Nach vielen Stunden verlässt der Zug Rumänien, verlässt Europa, kommt in der Nordbukowina an. Die Ukraine ist erreicht. In der Ferne taucht die berühmte Vielvölkerstadt Czernowitz auf.
Auf der Einladung des Zentrum Liberale Moderne ist zu lesen: „Gedenkveranstaltungen für die Holocaustopfer in Czernowitz“. „Im Mittelpunkt steht das Gedenken an die Grausamkeiten, die während der Shoa auf dem Boden der Ukraine verübt wurden.“ Im herrschaftlichen Shevchenkosaal der Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität findet der wissenschaftliche Austausch ukrainischer, deutscher, rumänischer und russischer Historiker und Zeitzeugen zum Holocaust in der Bukowina, statt. Marieluise Beck, Direktorin Osteuropa des Zentrum Liberale Moderne, Berlin, empfängt die Wissenschaftler und Gäste, die Moderation des wissenschaftlichen Podiums übernimmt Jurko Prochasko aus Lwiw/Lemberg. Zu unterschiedlichen Themen sprechen die Experten Prof. Dr. Wolfgang Eichwede, Bremen, Dr. Anatolii Podolskyi, Kiew, Dr. Boris Zabarko, Kiew, Dr. Josef Zissels und Dr. Oleg Surowtzew aus Kiew. Prof. Tamara Marusyk, Prof. Dr. Petro Rychlo, Serhij Osatschuk und Dr. Mykola Kuschnir aus Czernowitz. Prof. Dr. Ottmar Trasca, Cluj-Napoca und Wilfried Jilge, Berlin, Prof. Irina Scherbakowa, Moskau und Marius Cazan aus Bukarest. Volker Beck, Bochum und Sabine Adler aus Berlin, Roman Schwarzman aus Odessa und andere. Hochinteressant und spannend sind die Vorträge und die Diskussionen. Die Historie, die beschrieben und diskutiert wird, ist eine furchtbare.
Die Universytetska Straße gehe ich herunter, am ehemaligen großen Tempel der Juden vorbei, erreiche an der Ecke die Philharmonie, in der einst Enrico Caruso sang und biege in die Gorkij Strasse ein und bin gleich zu Hause.